31.07.2023

Vom Textjob zum KI-Controlling - Interview mit Susanne Czernick im PR-Journal

Welche Skills der Umgang mit Sprach-KI braucht

SC PR Journal KI

Welchen Einfluss nimmt eigentlich die explosive Verbreitung von KI-Tools auf die Branche der Fort- und Weiterbildungsanbieter im Kommunikationsmarkt? Wie sehr beeinflussen ein gutes halbes Jahr nach der Einführung von ChatGPT im November 2022 die neuen Entwicklungen die Seminarinhalte, insbesondere wenn es um professionelles Schreiben geht. Das PR-JOURNAL hat nachgefragt. Auskunft gibt Susanne Czernick, Direktorin der AFK Akademie Führung und Kommunikation, Bad Nauheim.

 

PR-Journal: Textmaschine versus Mensch – wie verändert KI Ihrer Meinung nach die Arbeit in der Kommunikation?
Susanne Czernick: Es wäre rückständig, ja es ist auch unmöglich und deshalb sinnlos, Automatisierung und künstliche Intelligenz in unserem Kompetenzfeld aufhalten zu wollen. Wenn es neue Mitarbeitende gibt oder neue Technologien, verteilt sich die Arbeit neu, die Aufgaben verändern sich, die Verantwortung aber bleibt. Es werden weiterhin die Kommunikationsfachleute sein, die über Strategie, Umsetzung, den Einsatz der Kräfte und Kompetenzen entscheiden. Sie müssen weiterhin ihre Teams steuern und die Qualität der Arbeit beurteilen und verantworten können. Auch derjenigen, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz entstanden ist.

PR-Journal: Mit den richtig formulierten Prompts kann die Textleistung von Sprach-KI überraschend gut sein. Was bedeutet das speziell für Texterinnen und Texter?
Czernick: Texterinnen und Texter werden entscheiden, welche anspruchsvolleren und individuelleren Texte sie selbst schreiben, welche Aufgaben sie an die KI delegieren. Alles natürlich im Rahmen der unternehmensinternen Vorgaben zur Nutzung von Sprach-KI. Sie werden sich über ChatGPT oder andere Bots auch Ideen liefern lassen. Aber die Verantwortung für Inhalt und Form bleibt bei ihnen. Sie übernehmen jedoch eine neue Funktion. Sie werden so etwas wie KI-Kontroller oder - vielleicht noch treffender - KI-Kuratorin oder -Kurator. Das heißt, sie fügen das Beste zusammen und vereinen es unter ihrer Handschrift.

PR-Journal: Und welche Kompetenzen braucht ein KI-Kurator oder eine-KI-Controllerin?
Sie müssen umso versierter sein in Text-Skills und journalistischem Know-how. Sie müssen KI-generierte Texte auf Wahrheit und auf ihre sprachliche Eignung überprüfen können: Ist die Trennung von Information und Kommentar eingehalten, also das A und O für Glaubwürdigkeit und seriöse Textarbeit berücksichtigt? Unerkannte Fakes können zum Kommunikationsproblem führen. Finden sich auch Leitbild und Corporate Wording richtig wieder? In der Unternehmenskommunikation geht es darum, das Einzigartige, Besondere, den USP und eine Haltung zu kommunizieren – das ist das Gegenteil von Standard. Diese Kernaufgabe der Kommunikationsarbeit bleibt - unabhängig davon, wie die Zulieferer heißen.

PR-Journal: Wie wirkt sich die neue Technologie auf die Trainingsinhalte der AFK Akademie Führung und Kommunikation aus?
Czernick: In den Trainings der Akademie bauen wir genau die Text- und Kommunikationskompetenzen auf, die KI-Controller oder KI-Kuratorinnen brauchen. Wir bilden Textexpertinnen und -experten aus und sensibilisieren sie gleichzeitig für den komplexen Umgang mit Fallstricken, die der Einsatz von KI mitbringt. Wir arbeiten sehr individuell mit unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammen, coachen sehr eng und können so auch den Text-USP jeder und jedes Einzelnen herausarbeiten. Natürlich immer auf Basis aller Sprachregeln und eines fundierten journalistischen Textverständnisses. Wichtiger als zuvor ist für uns der Aufbau von Resilienz gegenüber den Verführungen der KI oder dem niederschwelligen Zugang zu Social-Media-Posts. Nur weil ich alles schreiben kann, muss ich es nicht zwingend auch tun.

PR-Journal: Ob auf YouTube oder Instagram – Kommunikation läuft mehr und mehr über Bilder und Videos. Wohin entwickelt sich der Text grundsätzlich?
Czernick: Individuell auf den Punkt formulieren zu können, wird immer wichtiger werden. Gerade in der Kombination mit visuellen Elementen, gerade auch bei kurzen Posts. Zu lange Texte auf Social Media ermüden, auch wenn Plattformen wie LinkedIn die Möglichkeit dazu bieten. Meine Empfehlung heißt: Lieber einen Link-Post machen statt eines langen Lese-Posts. Den können Emojis und Symbole zwar optisch auflockern, aber das kann auch schulmeisternd oder albern wirken. 

PR-Journal: Was ist mit längeren Texten – gibt es dafür überhaupt noch Interesse und Verwendung?
Czernick: Überzeugende Unternehmenskommunikation und damit auch erfolgreiches Storytelling brauchen ausgereifte Kenntnis der Darstellungsformen, um umfassende und besondere Themen spannend an die Leserin und den Leser zu bringen. Es braucht journalistische Kompetenz in den Kommunikationsteams. Gute Reportagen, Features oder Portraits machen den Unterschied. Sie emotionalisieren und tragen zur Identifikation mit einem Unternehmen oder einer Marke bei. Sie machen die Unternehmensphilosophie erlebbar. Hier wird Schreiben richtig spannend.

Die AFK bietet vor Ort in Bad Nauheim oder in ihrer Online Academy verschiedene Text- und Sprachtrainings an.